"Der Bund bestimmt, finanziert aber nicht ausreichend"

Der SPD-Bundestagskandidat im Wahlkreis Bergstraße, Sven Wingerter, war zum Antrittsbesuch bei Bensheims neuer Bürgermeisterin Christine Klein

Bensheim. Kinderbetreuung, ÖPNV, Fördermittel, Wohnungsbau, ICE-Neubaustrecke, Frauenhaus: Die Liste an Themen war groß beim Gespräch des SPD-Bundestagskandidaten im Wahlkreis Bergstraße, Sven Wingerter, mit Bensheims neuer SPD-Bürgermeisterin Christine Klein. Sie formulierte ihre Wünsche an einen zukünftigen Bundestagsabgeordneten: Der Bund solle für seine Beschlüsse Mittel zur Verfügung stellen und die Kommunen nicht finanziell allein lassen. Auch gilt es, regionale Bedarfe zu beachten und nicht alles über einen Kamm zu scheren.

 

 

Bensheim ist in Sachen Kita-Plätze gut aufgestellt, sagte Klein. Einen Bedarf gibt es allerdings bei den finanziellen Zuschüssen für den Betrieb. Vorgaben des Bundes bei der Betreuung findet sie gut, denn sonst hätte man einen Flickenteppich. „So ist klar und gleichsam geregelt, was gemacht werden muss.“ Aus ihrer Erfahrung in der Polizeiarbeit weiß die Rathauschefin, dass Früh-Erziehung wichtig ist.

 

„Der Bund bestimmt, finanziert aber nicht ausreichend“, bedauerte der SPD-Kandidat. Seine Forderung: „Vergesst die Kommunen nicht.“ Wingerter will sich mit seinem Hintergrund aus 18 Jahren Kommunalpolitik in Berlin für die Interessen der Gemeinden einsetzen. Er bezweifelte, dass diejenigen Kinder auch in den Genuss der Betreuungsangebote kommen, die es am meisten benötigen. Denn: „Eine Kostenhürde ist immer noch gegeben.“

 

Als zusätzliche Erschwernis bezeichnete es der Wald-Michelbacher, dass durch den Föderalismus die Finanzausstattung der Kommunen Ländersache ist. Dadurch kann seinen Worten zufolge der Bund sie nicht direkt unterstützen. Das ist, betonte der SPD-Mann, „insbesondere ein Problem in Hessen“. In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg ist es besser geregelt.

 

Ein ähnliches Thema ist die Vorgabe des Bundes für den barrierefreien Ausbau der Bushaltestellen, stellten die Gesprächspartner fest. Denn dieser fordert eine an sich gute Maßnahme, bürdet den Kommunen aber eine Kostenbeteiligung auf, erklärte Wingerter. Die müssen auch die laufenden Kosten für den ÖPNV-Betrieb und einen geforderten Ausbau zahlen, ergänzte Klein. In Bensheim geht es zum Beispiel um die Erreichbarkeit des außerhalb liegenden neuen Ärztezentrums mit Bus und Bahn.

 

Viele kleine Kommunen haben Probleme, überhaupt Anträge für Fördermittel stellen zu können, weiß der SPD-Kandidat aus seinen Gesprächen. Das Problem ist der Personalmangel. Für Klein absolut nachvollziehbar. In Bensheim ist die Verwaltung aber gut aufgestellt und spezialisiert, sagte die Bürgermeisterin. Ihr Problem ist es, hochqualifiziertes Personal zu finden. Als Bundestagsabgeordneter muss man alle 22 Städte und Gemeinden mit ihren unterschiedlichen Strukturen kennen und im Blick haben, entgegnete Wingerter. Dem konnte Klein nur zustimmen.

 

Das Stadtoberhaupt bedauerte es, dass die Vorgaben nach der Istanbul-Konvention für die Anzahl von Wohnungen in Frauenhäusern nicht erfüllt werden können. Das Problem ist dabei nicht nur die Investition in Erweiterungen, sondern schon die Kosten für den laufenden Betrieb, erklärte sie. Denn das Defizit für die Erhaltung des bestehenden Frauenhauses muss erst einmal ausgeglichen werden. „Was nützt es, wenn ich etwas Neues hinstelle, aber dann nicht mit Leben fülle“, so Klein. Ihre Forderung: die Dynamisierung von Fördermitteln einführen.

 

Der Wohnungsbau ist in allen größeren Städten ein schwieriges Thema, weiß der SPD-Kommunalpolitiker. So sind in Bensheim in den vergangenen fünf Jahren die Preise bei neuen Angebotsmieten um 24 Prozent gestiegen. Die SPD wollte daher auf Kreisebene eine Wohnbaugesellschaft und -Förderung schaffen, scheiterte aber am Widerstand der CDU, bedauerte er.

 

Klein würde gern selbst sozialen Wohnungsbau auf städtischen Flächen mit der kommunalen Gesellschaft MEGB angehen. Allerdings ist dieser finanziell durch die niedrigen Zinsen nicht attraktiv. Deshalb werden auch keine Förderanträge gestellt. Als „tolles Konzept“ bezeichnete sie das im Neubaugebiet Meerbachsportplatz umgesetzte. Ein Sozialarbeiter kümmert sich ganz speziell um die Belange in einem Quartier. „Es muss das Ziel sein, diese Projekte auch langfristig aus Städtebauprogrammen durch den Bund zu fördern“, forderte Wingerter. Wohnen darf für ihn „keine Frage allein des Geldbeutels sein“.

 

Auch die Neubaustrecke zwischen Frankfurt und Mannheim war Thema. Der SPD-Kandidat bekannte sich klar zum bergmännischen Tunnel, auch mit höheren Investitionskosten. Klein bezeichnete die Neubaustrecke zur Verbesserung und Stärkung des Bahnverkehrs als sinnvoll. Für Langwaden stellt sich ihren Worten zufolge die Frage, wie und wo die Einfahrt in den Tunnel erfolgen soll, da diese zusätzlichen Lärm erzeugt. Zusätzlich ist die mögliche Erweiterung der A67 in diesem Bereich ein wichtiges Thema, betonte die Bürgermeisterin. Aus Sicht des Natur- und Umweltschutzes kann mit dem Tunnelbau vermieden werden, Waldflächen zu roden. So könnte ein Einklang von Mensch, Tier und Natur erreicht werden, gab sie Wingerter mit nach Berlin. 

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