Fachgespräch "Zukunft der medizinischen Versorgung im Überwald. Möglichkeiten kommunaler Gesundheitspolitik"
Ist das Konzept „Luise light“, wie es Dr. Gerhard Wetzig auf der SPD-Versammlung vorstellte, das Patentrezept, um sowohl die stationäre als auch die ambulante medizinische Versorgung im Odenwald zu erhalten? Es hat zumindest großen Charme, waren sich die Anwesenden einig. „Zukunft der medizinischen Versorgung im Überwald. Möglichkeiten kommunaler Gesundheitspolitik“ lautete der Titel der Veranstaltung, zu dem die Wald-Michelbacher SPD eingeladen hatte.
Wetzig, zweiter Vorsitzender der „Bürgerinitiative Gesundheitsversorgung Vorderer Odenwald“, referierte zu dem Konzept, mit dem der Verein die Möglichkeit sieht, das Luisenkrankenhaus in Lindenfels zum einen zu retten, zum anderen durch ein zentrales medizinisches Versorgungszentrum verwaisende Hausarztpraxen vor Ort aufzufangen und als Zweigpraxen weiterzuführen. Weiterer Referent war der Landrat des Landkreises Darmstadt-Dieburg, Klaus-Peter „Pit“ Schellhaas.
SPD-Kreistagsmitglied und Gemeindevertreter Sven Wingerter, der den Abend im Nebenzimmer des Gasthauses „Heid“ moderierte, hatte zu Beginn die wesentliche Themen Punkte des Wahlprogramms skizziert. Fraktionsvorsitzende Udo Klos stellte die Kandidaten und Schwerpunkte der lokalen SPD-Agenda vor.
Wingerter wies auf den Hausärzteschwund hin: In den nächsten Jahren schieden etwa 50 Prozent von ihnen aus. „Nachfolger sind nur schwer zu finden.“ Aktuell „haben wir noch die Möglichkeit gegenzusteuern“, ergänzte Schellhaas. Eine Aussage, die Wetzig präzisierte: 2400 Mediziner gingen derzeit jährlich in den Ruhestand, nur etwa 600 neue Vollzeitstellen würden geschaffen. Mit dieser Feststellung sorgte er für einige Unruhe in der Versammlung. Peter Bihn fasste zusammen, was auch andere beschäftigte: Diese bekannte Situation sollte doch schon längst zu einem Aufschrei und Gegensteuern geführt haben. „Irgendwann kommt der Blackout“, so Bihn.
Mitarbeitervertreter Christoph Vogel vom Luisenkrankenhaus brachte einen anderen Gedanken auf den Punkt, der ebenfalls Widerhall in der Runde fand: Er wolle nicht „als Steuerzahler erster Klasse“ im ländlichen Raum nur als Patient zweiter Klasse betreut werden. Die medizinische Versorgung solle in der Region bleiben. Dr. Wetzig machte daneben mit weiteren Aspekten bekannt, die in der Diskussion auf Überwald-Eben noch gar nicht wahrgenommen worden waren. Demnach werden die Notdienste für die gesamte Region vom Lindenfelser Luisenkrankenhaus aus organisiert.
Pit Schellhaas sagte, der Landkreis Darmstadt-Dieburg habe sich nicht von seinen Krankenhäusern getrennt, sondern betreibe sie nach wie vor selbst. Auch wenn sie keine schwarzen Zahlen schrieben: „Das ist es uns wert“, betonte er. Der ländliche Raum „braucht genauso Krankenhäuser wie die Städte“, so sein Tenor. Die stationäre Versorgung sei ein Auftrag der Landkreise. Dabei gehe es um Grundversorgung, keine besondere Spezialisierung. Ausgesucht habe er sich dies nicht: „Wir kümmern uns darum, weil es sonst keiner tut.“
Schellhaas war sich mit Wetzig einig, dass sich der Arztberuf in den vergangenen Jahrzehnten elementar verändert habe. Es gebe nicht mehr den Landarzt, der praktisch rund um die Uhr zur Verfügung stehe. Gerade im ländlichen Raum müssten die Rahmenbedingungen stimmen, damit sich junge Mediziner niederlassen. „Der Arztberuf wird weiblich“, stellte Wetzig fest. Oftmals sei damit verbunden, dass junge Ärztinnen nur Teilzeit und in Anstellung arbeiten wollten statt eine eigene Praxis zu betreiben.
Diesem Ansinnen kommt laut Wetzig „Luise light“ nach. Synergieeffekte wären durch ein Andocken der Grundversorgung an die Eleonoren-Klinik in Winterkasten möglich, sagte er. Bei Organisation, Personal und Gerätschaften könne sich dies positiv auswirken. Neben der Ansiedlung von Facharztpraxen gäbe es die Möglichkeit, verwaisende Hausarztpraxen unter diesem Dach als „Satellitenpraxen“ weiterzubetreiben, angestellte Ärzte zu beschäftigen.
Ganz abgesehen davon, dass Notfallzentrale, Unfallarzt und Hausarzt-MVZ sichergestellt werden könnten. Für Wetzig gleich „eine vierfache Win-Situation“. Allgemeinmediziner Dr. Klaus-Ulrich Henß aus Wald-Michelbach sah das Konzept als gute Möglichkeit, auch im Überwald mit seinen weiten Wegen in die Ballungsräume zukünftig eine medizinische Versorgung sicherzustellen.
Aus der Bürgerinitiative heraus solle eine Genossenschaft als Träger gegründet werden, die dann das Luisenkrankenhaus vom bisherigen Betreiber, der Universitätsmedizin Mannheim, für einen symbolischen Euro übernehme. „Von fast allen haben wir schon grünes Licht erhalten“, teilte Wetzig mit. „Der gesamte Odenwald würde davon profitieren“, ist er sich sicher.
Quelle: www.ueberwaelder.wordpress.com (Thomas Wilken)