Medizinische Versorgung: „Öffentliche Daseinsfürsorge der Menschen muss vor Kostenmaximierung stehen"

Sven Wingerter leitete Arbeitsgruppe Gesundheit auf dem Programmparteitag der SPD Bergstraße


Wald-Michelbach. Im Rahmen einer Fraktionssitzung der Wald-Michelbacher SPD berichtete der Kreistagsabgeordnete Sven Wingerter aus Aschbach vom Unterbezirksparteitag der SPD Bergstraße. Einstimmig wurde dort das Wahlprogramm für die am 6. März anstehende Kreistagswahl verabschiedet. Wingerter, der in der Programmkommission für die Themen „Gesundheit und ärztliche Versorgung“ sowie „Mobilität und Verkehr“ zuständig war und die dazugehören Kapitel verfasst hatte, leitete die Arbeitsgruppe Gesundheit. Dabei unterstrich er erneut, dass die Sicherstellung der medizinischen Versorgung zu einem Schwerpunkt kommunaler Politik werden müsse.

 

Sehr schnell waren sich laut Wingerter die Sozialdemokraten in der Arbeitsgruppe einig, dass die Maxime „Daseinsfürsorge der Menschen steht vor der Kostenmaximierung“ für die Gesundheitspolitik als Leitprinzip gelten solle. Die öffentliche Hand müsse dies sowohl durch richtiges Controlling und entsprechend steuernde Eingriffe als auch durch entsprechende Investitionen sicherstellen. Man könne sich nicht darauf verlassen, dass der Markt oder die privatwirtschaftlichen Interessen der einzelnen Akteure zur besten medizinischen Versorgung führten. Eher sei das Gegenteil der Fall, so Wingerter.

 

Was die Krankenhaussituation angehe, betonte das Kreistagsmitglied mit Blick auf Lindenfels und Bensheim, dass kein Standort hätte in Frage gestellt werden müssen, wenn man statt Wettbewerb untereinander sehr viel früher die Schwerpunktbildung der einzelnen Häuser forciert hätte. Auch hier müssten die kommunalen Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten gestärkt werden, damit über die medizinische Versorgung im Odenwald nicht allein in Mannheim entschieden würde.

 

Überhaupt ist den Sozialdemokraten eine stärkere Vernetzung aller Akteure im Gesundheitswesen ein wichtiges Anliegen, betonte er. Der Kreis und die Kommunen könnten hier moderierend eingreifen. Mindestens zweimal im Jahr müsste zu regionalen und lokalen Gesundheitskonferenzen eingeladen werden. Die immer drängende Problematik der wohnortnahen Versorgung mit Haus- und Fachärzten wurde vorrangig thematisiert. Ähnlich wie im Überwald sei es in vielen Gemeinden im Kreis Bergstraße absehbar, dass künftig immer weniger Arztpraxen neu besetzt würden.

 

Laut Wingerter wurde sehr angeregt die Möglichkeit von sogenannten „Medizinischen Versorgungszentren“ (MVZ) erörtert. Ein solches MVZ als Ärztehaus oder Gesundheitszentrum ermögliche, dass sich beliebig viele Ärzte unter einem Dach zusammenfänden. Weil Ärzte im Angestelltenverhältnis beim MVZ angestellt sein könnten, sei dieses auch für junge Ärzte interessant, die aufgrund der hohen Belastung und des Verwaltungsaufwands keine eigene Praxis auf dem Land eröffnen wollten, erläuterte Wingerter. Ebenso seien Teilzeitmodelle so leichter durchführbar.

 

In der Arbeitsgruppe wurde daneben diskutiert, dass auch „mobile“ Arztpraxen denkbar seien oder ein medizinisches Versorgungszentrum in „virtueller“ Form vorstellbar sei, so dass die bisherigen Standorte der Arztpraxen erhalten blieben und sich die Ärzte vor allem verwaltungstechnisch gemeinsam organisatorisch zusammenfänden. Ebenso könnten Gemeindeschwester-Modelle wie bei VeraH (Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis) interessant sein, um den Arzt bei bestimmten Aufgaben zu entlasten und so zur Stabilisierung eines lokalen Gesundheitsnetzes vor Ort beizutragen.

Wingerter machte deutlich, dass die SPD solche Überlegungen in ihr Wahlprogramm aufgenommen habe und sich klar dazu bekenne, den Aufbau von medizinischen Versorgungszentren zu initiieren, zu fördern und falls nötig auch investiv zu unterstützen. Im Grunde gehe es darum, die Rahmenbedingungen im Odenwald attraktiver zu machen. „Unser Ziel ist es, die medizinische Grundversorgung auch in kleineren Gemeinden dauerhaft und wohnortnah sicherzustellen“, sagte er.